Ein wichtiger Arbeitsschritt zum fertigen Werkzeug, früher gut gehütet und von Mythen umrankt, ist das Härten. So gesehen erweckt es den Eindruck, dass es sich um einen isolierten Prozess handelt. Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr handelt es sich um eine Reihe von Arbeitsschritten, die unter dem Oberbegriff Wärmebehandlung zu sehen sind. Abhängig von der verwendeten Stahlsorte unterscheiden sich die Arbeitsschritte erheblich voneinander. Angaben über Temperatur und Zeit sind hier daher eher allgemein gehalten und beziehen sich auf die von mir verwendeten niedrig legierten Kaltarbeitsstähle.
Wird ein vom Händler bezogener Werkzeugstahl nur kalt (spanabhebend) bearbeitet, so ist neben einem optionalen Spannungsarmglühen nur das Härten mit anschliessendem Anlassen erforderlich. Nach einer Warmverformung (Schmieden oder Feuerschweissen), ist die erforderliche Wärmebehandlung aufwendiger.
Durch die hohen Temperaturen beim Schmieden kommt es zu einer Grobkornbildung. Das Material wird daher eher wie die Bruchfläche der unteren Probe aussehen (Bild 1). Dieses Gefüge ist völlig unbrauchbar, da das Material in diesem Zustand viel zu spröde ist.
Wie kann nun hieraus das gewünschte feinkörnige Gefüge erzeugt werden, wie es die obere Bruchprobe zeigt?
Die Antwort ist Normalisieren oder Umkörnen.
Hierfür wird das Werkstück etwas über Härtetemperatur erwärmt und danach wieder abgekühlt. Dieser Vorgang lässt an den Korngrenzen neue, kleine Kristalle entstehen, welche die alte Struktur langsam auflösen.
Nach dreimaliger Wiederholung sollte sich das notwendige feinkörnige Gefüge eingestellt haben.
Bei Damaszenerstahl kann es jedoch vorkommen, dass nicht alle Komponenten gleich reagieren. Ein negatives Ergebnis könnte immer noch grobkörnige Strukturen zeigen, so wie im Bild 2 zu sehen.
Hier ist eine weitergehende Wärmebehandlung erforderlich.
Nach dem Normalisieren ist nicht sichergestellt, dass sich das Material auch bearbeiten lässt. Oft zeigt es eine erhebliche Resthärte, welche die Werkzeuge vorzeitig verschleissen lässt. Um die Resthärte zu beseitigen, muss der Stahl weichgeglüht werden. Zum Weichglühen wird der Stahl auf eine Temperatur unterhalb der Härtetemperatur erwärmt und dort für einige Zeit gehalten. Danach ist er langsam abzukühlen. Nimmt man es genau, so unterteilt sich das Weichglühen in zwei Abschnitte. Das Halten lässt Eisenkarbide zerfallen und sie eine möglichst feine Verteilung im Stahl einnehmen. Dieser Teil der Wärmebehandlung nennt sich Einformen. Das Abkühlen auf Raumtemperatur sollte langsam, am besten im abkühlenden Ofen, erfolgen. Soll der Stahl beim Abkühlen direkt von der Härtetemperatur trotzdem weich bleiben, so ist eine noch langsamere Abkühlung erforderlich um eine ungewollte Härtezunahme zu vermeiden. Wie langsam diese Abkühlung erfolgen muss, hängt nun wieder vom Stahl ab. So können Werte von 1°C / Sek bis 0,1°C / Minute erforderlich sein.
Das Material kann nun wie gewohnt bearbeitet werden. Sägen, bohren, feilen, schleifen usw. darf nun keine Probleme mehr bereiten.
Ist das Werkstück soweit bearbeitet, dass es gehärtet werden soll, kann es sinnvoll sein, zuvor ein Spannungsarmglühen durchzuführen. Durch die Bearbeitung entstandene Spannungen sollen dadurch abgebaut werden, die ansonsten einen Verzug beim Härten verursachen könnten. Um diese Spannungen abzubauen, wird das Werkstück langsam auf eine Temperatur < 650 °C erwärmt, einige Zeit gehalten und dann wieder langsam abgekühlt.
Nun endlich erfolgt das eigentliche Härten. Hierfür muss das Werkstück zunächst auf Härtetemperatur gebracht und dort evtl. für einige Zeit gehalten werden. Die Haltezeit ist davon abhängig wie schnell das Material in den austenitischen Zustand übergeht.
So weit so gut, doch was ist unter Härtetemperatur und austenitischen Zustand zu verstehen?
Bei einfachen Werkzeugstählen wird sie meist zwischen 780 und 840 °C liegen. Die Härtetemperatur von rostfreien Stählen liegt bei >1000 °C. Die empfohlene Härtetemperatur gibt der Hersteller in seinen Datenblättern bekannt oder sie kann dem ‘Stahlschlüssel’ entnommen werden.
Bei Raumtemperatur hat der Stahl eine kubisch raumzentrierte (krz) Kristallstruktur. Somit gleicht die Struktur einem Würfel, bei dem auf jeder Ecke ein Eisenatom sitzt und der ein zusätzliches Eisenatom in seiner Mitte hat.
Mit Erreichen der Härtetemperatur verändert sich die Struktur in eine kubisch flächenzentrierte (kfz) Kristallstruktur. Jetzt sitzen die Eisenatome sowohl auf den Ecken als auch auf jeder Fläche des Würfels.
Die sinnvolle Temperatur und Dauer des Austenitisieren hängt natürlich wieder vom Kohlenstoffgehalt und den Legierungsbestandteilen ab. Um geeignete Parameter zu ermitteln, hilft das ZTA-Diagramm (Bild 3) für den jeweiligen Stahl.
Das Zeit-Temperatur-Austenitisierungsdiagram zeigt, bei welcher Temperatur und Erwärmungsgeschwindigkeit / Haltezeit mit welcher Härteannahme zu rechnen ist (rote Linien). Es zeigt aber auch, wann Kornwachstum einsetzt (blaue Linien). Legierungen mit einem Kohlenstoffanteil > 0,8 % erreichen ihre Härtetemperatur in dem Bereich zwischen den schwarzen Linien Ac1e und Accm, was sich in dem Beispieldiagramm widerspiegelt. Des weiteren lässt sich erkennen, dass die maximal mögliche Härte durch Überschreiten von Temperatur oder Haltezeit nicht mehr erreicht werden kann und das Ergebnis zusätzlich durch Kornwachstum mit verringerter Zähigkeit bestraft wird.
Ist das Werkstück auf Temperatur, muss es mehr oder weniger schnell abgekühlt werden, um den Austenit in Martensit umzuwandeln. Da sich beim Abkühlen wieder die kubisch raumzentrierte Kristallstruktur einstellt, müssen die Kohlenstoffatome ihre Position im Gitter verlassen. Erfolgt die Abkühlung jedoch schnell genug, so bleibt für diesen Vorgang nicht genug Zeit. Die Kohlenstoffatome verursachen hierbei eine tetragonal verzerrte raumzentrierte Kristallstruktur und es bildet sich Martensit.
Auskunft über die benötigte Abkühlgeschwindigkeit gibt das ZTU-Schaubild (Bild 4) für den jeweiligen Stahl. Das Zeit-Temperatur-Umwandlungsdiagramm zeigt, welche Gefüge sich bei einer bestimmten Abkühlung ergeben. Grundsätzlich gilt, dass die minimal erforderliche Abkühlung anzustreben ist. Bei zu schroffer Abkühlung erhält man ungünstigen, nadelförmigen Martensit, kombiniert mit einem hohen Risiko von Verzug und Härterissen. Ist die Abkühlung zu langsam, besteht die Gefahr einer unvollständigen Umwandlung in Martensit. Je nach benötigter Abkühlgeschwindigkeit gruppiert man die Stähle in Wasser-, Öl- und Lufthärter ein, was das bevorzugte Abkühlmedium angibt. Es werden auch Warmbäder genutzt, welche das Material zuerst auf eine Temperatur über Ms, Martensit Start, abkühlen, um nach dem Temperaturausgleich die endgültige Abkühlung bis zur Martensitbildung durchzuführen.
Wichtig ist, dass die Abkühlung schnell genug erfolgt, um an der Perlitnase, hierbei handelt es sich um den mit “P” markierten Bereich, vorbei zu kommen. Bei dem hier gezeigten Beispiel hätte man bis zu 40 Sekunden Zeit um das Material von 820°C auf 500°C abzukühlen. Um dies zu erreichen, reicht warmes Öl als Kühlmittel aus. Die weitere Abkühlung bis Ms, stellt dann kein Problem mehr dar. Ab dieser Temperatur beginnt der Stahl sich in Martensit umzuwandeln, der dem Stahl die gewünschte Härte gibt. Ziel ist eine Abkühlung, die möglichst nahe an Me, Martensit Ende, heranreicht. Um dies zu erreichen, kann es je nach Legierung erforderlich sein, das Werkstück tiefzukühlen. Das geht (bedingt) in Spiritus mit Trockeneis (Bild 5) oder in flüssigem Stickstoff. Gelingt dies nicht, so bleibt Restaustenit zurück, der wegen seiner weichen Matrix unerwünscht ist. Tendenziell kann man davon ausgehen, dass der Punkt für Me um so tiefer liegt, je mehr Kohlenstoff im Stahl enthalten ist, bzw. je mehr Karbide durch eine erhöhte Härtetemperatur / Haltedauer aufgelöst werden.
Beim Herstellen von kaltem Spiritus (ca.-65°C) gebe ich erst das Trockeneis in den Behälter und fülle dann den Spiritus ein. Unabhängig davon stelle ich den Behälter zur Sicherheit in ein zweites Auffanggefäss.
Der Umgang mit Stickstoff ist aufwendiger und nicht ungefährlich. Rostfreie Stähle benötigen, neben der hohen Härtetemperatur und Haltezeit, generell ein Tiefkühlen in flüssigem Stickstoff. Aus diesem Grund gebe ich diese Stähle in eine professionelle Härterei.
Um die Theorie durch etwas Praxis zu lockern, hier einige Bilder vom Härten einer Yanagiba. Wie viele andere japanische Klingen besteht sie aus einem harten Schneidenstahl, der auf einen weichen Klingenkörper geschweißt ist. Während der Härtung erhöht sich das Volumen der Schneide auf Grund der Martensitbildung. Dies verursacht an der ähnlich eines Bi-Metall aufgebauten Klinge zwangsweise einen Härteverzug. Um dem zu erwartenden Härteverzug entgegen zu wirken, wurde die Klinge daher zuvor in die entgegengesetzte Richtung gebogen. Bei den hier gezeigten Bildern befindet sich der Schneidenstahl (1.3505) auf der rechten Seite, während der Klingenkörper aus einem Damast mit geringen Kohlenstoffgehalt besteht. Sobald die Klinge in das Ölbad eingetaucht wird, verformt sie sich zuerst noch mehr in die entgegengesetzte Richtung. Erst nach und nach, mit dem Beenden der Martensitbildung, streckt sich die Klinge in die gewünschte gerade Form. Die starke Formänderung beruht auf der Volumenänderung zwischen Martensit, kubisch raumzentrierten Stahl, kubisch flächenzentrierten Stahl und dem nicht zeitgleichen Umwandeln der Gitterstruktur in den unterschiedlichen Stahlsorten.
Ist der Stahl abgekühlt, so bedarf es je nach Stahlsorte noch einer gewissen Zeit bis der Martensit sich vollständig ausgebildet hat. Erst dann ist die Härtung abgeschlossen. Bei einem 1.2343, den ich für Warmarbeitswerkzeuge benutze, sind das dann auch schon mal 30 - 40 Minuten.
Eine erste Härteprüfung zeigt die Härte vor dem Anlassen. Bei der von mir durchgeführten Rockwell-Prüfung wird ein Diamantkegel mit einer Prüfkraft von 150 kp in das Material gedrückt. Die ermittelte Eindringtiefe ist ein Mass für die Härte. Hier wurde mit einem Handmessgerät (Bild 6) an einer Probe eine Härte von 63 HRC ermittelt. Leider zeigt die Härteprüfung auch ähnliche Werte, wenn auf Grund suboptimaler Vorarbeit bereits ein Grobkorn vorlag. So ist die Härteprüfung nur ein Indikator für eine korrekte Härtung.
TIPP:
Hast du auch kein Handmessgerät in deiner Schmiede für die Härteprüfung rumliegen? Dann nimm eine Feile. Eine hochwertige Feile hat um die 62HRC Härte, eine normale Werkstattfeile um die 58 HRC. Gleitet die Feile über das Werkstück, dann weißt du, dass das Werkstück die Härte der Feile übertrifft.
Danach ist das Material sofort anzulassen. Bei Kaltarbeitsstählen wird hierbei auf Temperaturen zwischen 180 und 220 °C erwärmt. Erfolgt das Anlassen über die Anlassfarbe so entspricht das dem oft erwähnten Strohgelb. Ist Federhärte gewünscht, sind Anlasstemperaturen von 400-500 °C üblich.
Es gibt aber auch Stähle wie z.B. den 1.2343, 1.2344 oder den 1.2379, welche beim Anlassen eine Sekundärhärtung erfahren. Diese werden, um die volle Arbeitshärte zu erlangen, im Sekundärhärtemaximum angelassen, welches nicht selten erst bei 600 °C erreicht wird. In den allermeisten Fällen wird ein zweimaliges Anlassen empfohlen. Auch hierfür gibt es natürlich wieder spezielle Diagramme für die jeweilige Stahlsorte.
Der prinzipielle Unterschied zwischen den beiden beschrieben Anlassverhalten wird in Bild 7 gezeigt.
Auch wenn das nur ein erster Überblick zum Thema Härten ist, so ist er mehr als nur unvollständig. Er könnte um das Bainitisieren, Aufkohlen, Einsatzhärten, Nitrierhärten, Induktionshärten, Auslagerungshärten oder das Bunthärten ergänzt werden. Womit das Ende immer noch nicht erreicht ist.
Die zur Zeit beste mir bekannte Quelle zum Thema Härten ist das Buch von Dr. Volker Läpple “Wärmebahandlung des Stahls” (ISBN-10 3-8085-1309-8), sowie “Stahl-Metallurgie” von John D. Verhoeven (ISBN 978-3-938711-50-7).
Autor: Christian Schnura