Eine richtig gute Frage!
Soviel kann ich schon mal verraten, es geht nicht um den Sieg, sondern um was viel "wertvolleres"!
Im Erlebnisbericht erfährst du, was die Faszination "Stia European Biennial of Blacksmithing Art" ausmacht und warum sich eine Reise dorthin, auch für "NICHT-Schmiede" lohnt.
Zur Jury zählten Luc Vandecasteele, Zeevik Gottlieb, Christian Lanbacher, Alfred Bullermann und David Swift (Vorsitzender).
Gedächtniszitat aus der Begründung zur Wahl des Werkstückes ( Idee zum Puzzle Tom Carstens) von David Swift:
"Dieses Stück ist so simpel, aber so schwer herzustellen. Es hat eine so starke Ausstrahlung, die so viele Interpretationen zulässt, dass es kaum zu greifen ist."
3:00 Uhr morgens in Stia auf dem „Piazza G. Mazzini". Nach 10 Stunden Autofahrt stehen meine Frau und ich nun in der Arena der Schmiede. Kohleessen und Ambosse stehen in Reih und Glied einer Tribüne gegenüber. Die Autoscheinwerfer zerschneiden die Nacht und tauchen die Szenerie in ein grelles Licht.
Es herrscht absolute Stille und wir stehen andächtig da! Das mit der Ruhe sollte sich in ein paar Stunden ändern. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch keine Ahnung, wie stark sich dies ändern sollte und zu welchem Ende es mich führen würde.
Aber fangen wir mal ganz von vorne an. „STIA“, ein Begriff in der Welt der Schmiede, sicherlich. „Weltmeisterschaft der Schmiede“, dieser Begriff spukt einem dabei gleich im Kopf umher. So geht es glaub vielen Schmieden und Schmiedinnen. Einmal bei der Weltmeisterschaft mitmachen, das wäre doch was! Natürlich weiß man wo man steht, aber so ein bisschen davon träumen im besten Drittel mitzuschwimmen, das wäre toll.
Dieser Gedanke schwirrte also im Kopf umher, doch wie so oft, man macht es dann doch nicht, weil dies und jenes dazwischen kommt und irgendwie glaubt man dann auch nicht so recht daran, ob man wirklich sich mit den anderen Schmieden messen kann.
Wie es der Zufall will hab ich von Rüdiger Schwenk das Angebot bekommen, sein Doppelzimmer zu übernehmen. „Super Gelegenheit“, dachte ich mir. Meine Frau und ich haben gerade Zeit und da könnte man sich doch den Ablauf während der Biennale in Stia einfach anschauen. Bin beim Lesen der Veranstalter-Webseite nie ganz schlau geworden, wie die Sache denn so richtig abläuft, also die ideale Gelegenheit sich alles in Ruhe anzuschauen. So eine zukünftige Teilnahme muss ja schließlich geplant sein. So war der Plan! Ist schon ein wenig klischeehaft und „typisch Deutsch“ das mit dem planen und organisieren.
Und dann trafen meine Pläne auf die italienische Leichtigkeit und Herzlichkeit. Auf Francesca, die mir per Mail antwortete und locker ein „alles organisiert“ signalisierte und wir uns einfach am Infopoint melden sollten. Ab diesem Zeitpunkt tauchten wir dann in das grandiose Abenteuer „Biennale Stia“ ein. Als absolutes Sprachgenie kann ich gerade mal einen Cappuccino, eine Pizza und ein Bier auf italienisch bestellen, aber mehr nicht. Englisch krieg ich halbwegs hin, aber.... und genau dieses Wort„aber“ streicht ihr am besten aus eurem Wortschatz bei einem Besuch in STIA. Sobald ihr dort ankommt seid ihr ein Teil der großen Familie, die das Schmiedehandwerk lebt und liebt.
Über 300 Schmiede aus allen Kontinenten der Welt haben sich für die Weltmeisterschaft angemeldet. Die größte Beteiligung bis jetzt in der Geschichte der WM in Stia. Um diese Teilnehmerzahl zu bewältigen haben die Veranstalter „gezaubert“. Ich kann hier nur meinen Respekt aussprechen für diese Organisation und dies ohne, dass die Teilnehmer und Zuschauer diesen Kraftakt bewusst mitbekommen haben. Einfach toll!
Jedenfalls hat dann der Wettkampf begonnen und ich saß mit meiner Frau auf der Tribüne und wir staunten über das „Spektakel“. Wir waren einfach nur beeindruckt von den Schmieden und dem Rahmenprogramm. Wir konnten nur noch staunen und liefen im Ort wie „Kinder im Spielzeugladen“ umher. Und das vormittags am ersten Tag. Was kann da noch kommen? Jede Menge sollte ich bald erfahren.
Am Nachmittag bin ich dann so zufällig am Infopoint rumgestanden und hab mir das Reglement vom Wettbewerb durchgelesen, als Tom Carstens ankam und wir kurz ins Gespräch kamen. Und dann war dieser Satz: „Hast du Lust, in der Mannschaft mitzumachen?“
„Ja!“, platzte es aus mir raus. Eigentlich wollte ich ja nur den Ablauf des Wettbewerbs studieren, Bilder machen und vielleicht noch einen Artikel schreiben, das war der Plan. Und jetzt, war ich ein Teil der Mannschaft um Tom Carstens „Germany 3“. Na hoffentlich „vergeige“ ich das nicht!
Jedenfalls, die These mit dem "dumm rumstehen bringt nichts", wäre somit widerlegt!
Die Werkstücke des Wettbewerbs wurden immer mehr und mein Staunen auch. Es macht einfach Spaß den Protagonisten zuzuschauen, wie sie in 3 Stunden im Feuer und am Amboss was zauberten.
Gleichzeitig sitzt man auf der Tribüne oder schlendert durch die Attraktionen im ganzen Ort und lernt ganz viele neue Leute kennen. Man spürt an jeder Ecke, dass der ganze Ort mit Leidenschaft und Freude diese Biennale der Schmiede unterstützt. Von der Bedienung im Café, dem Verkäufer im Supermarkt, der Essensmannschaft (Villaggio Gastronomico), den Organisatoren, über die Stadtarbeiter, einfach alle brennen für diese Veranstaltung!
Und so vergingen die Stunden und der Tag an dem die Mannschaft „Germany 3“ / Team Tom Carstens die Arena betritt rückte näher. So saßen wir dann am Vormittag zum Vorbereitungsgespräch zusammen. Wer ist den nun wir? Tom Carstens aus Degerndorf, Denni Ludwig aus Herzberg/Elster, Florian Upmann aus Inzell und ich (Roland Dirr) aus Ichenhausen, das ist die Mannschaft. Die Idee vom Puzzle, welche bereits im Vorfeld von Tom Carstens entwickelt wurde, fand ich genial. Es passte einfach super zur Themavorgabe „Verbindung / Connection“! Kurzzeitig stand auch im Raum etwas ganz anderes zu machen, da wir alle die bereits gefertigten Werkstücke und deren Qualität gesehen hatten.
Wir blieben beim PUZZLE, waren uns aber einig, dass es nur einen Hauch einer Chance haben würde, wenn das Werkstück absolut sauber gefertigt sein würde.
Dann war es Samstag 14:30 Uhr und wir, die Mannschaft um Tom Carstens, stiegen in den Ring. Ab dem Zeitpunkt war meine Wahrnehmung sehr begrenzt. Wir konzentrierten uns alle auf das Hier und Jetzt. Und wir arbeiteten wie die Zahnräder in einem Uhrwerk. Jeder gab sein Bestes. Ohne viele Worte wusste jeder was zu tun war. Millimeter genaue Spaltarbeit, eingebettet im Rhythmus von Feuer und Hammerschlägen, begann. Damit überhaupt so präzise, die Idee "Puzzle", von Tom ersonnen , ausgearbeitet werden konnte, fertigte Carstens spezielle Spalt- und Schrothämmer an.
Es waren einfach magische 3 Stunden, welche wir dann komplett ausgelaugt und zufrieden beendeten. Ob das Werkstück jetzt eine tolle Wertung bekommt oder nicht, es war zu dem Zeitpunkt egal. Wir hatten alles gegeben und waren deswegen zufrieden und glücklich.
Aufgrund der vielen Teilnehmer wurde dann am Sonntag Vormittag noch weiter im Wettkampf geschmiedet und wir schauten uns einfach alles nochmal an. Wir saugten die Stimmung der Veranstaltung auf und legten im Kopf unsere Favoriten für die Medaillen fest. Ein wahnsinnig starkes Feld an Schmiede, die hier in Stia angetreten sind. „Kannst froh sein, wenn wir unter den ersten 30 Arbeiten von 136 sind“, war mein Gedanke.
Viel zu früh hat es uns dann zum Piazza B. Tanucci zur Abschlusszeremonie gezogen. Irgendwie ging das nicht nur mir und meiner Frau so. Schon Stunden vorher strömten die Menschen auf den Platz und fieberten der Preisverleihung entgegen. Es ging, glaube ich, keinem von den Anwesenden in dem Augenblick um den Wettkampf oder einen Titel. Vielmehr ging es um die Gemeinschaft. Das Erlebte und die Freude mit Freunden zu teilen.
Und dann kam die Preisverleihung im Mannschaftswettbewerb. Bronze, Silber und bei Gold dann die Worte „Germany …. 3“. Es brauchte ein paar Sekunden bis wir registrierten, dass wir das sind. Der Rest lief bei mir wieder wie ein Film ab, den ich von der Seite aus betrachte. „Aha, wir sind jetzt Weltmeister.“ Dann stehst da auf der Bühne und mehrere tausend Menschen stehen auf als die Nationalhymne erklingt. Ein Augenblick der puren Emotionen!
Freude, Stolz, Dankbarkeit, Überraschung, Unglaube, etc. und dann das ganze immer wieder von vorne.
Am nächsten Tag bin ich dann nochmal auf den Piazza G. Mazzini mit meiner Frau gefahren und wir haben die Ereignisse Revue passieren lassen, mit einem Cappuccino und uns die Frage gestellt, „waren die letzten Tage Wirklichkeit?“
„Weltmeister der Schmiede in der Mannschaft“, wie geil ist das denn?