Im Jahr 2019 sind wir auf „Campus Galli“ aufmerksam geworden, haben uns mal mit den Akteuren dort bekannt gemacht und uns den „Klosterbau“ mal angeschaut.
Was soll ich sagen, wir haben Lunte gerochen und gleich mal angefragt, wie wir mitmachen können.
Jetzt hat der Coronavirus dieses Jahr fast alles durchgewirbelt, aber der Wunsch, in Meßkirch zu schmieden, blieb. Am 08. bis 09. August war es dann soweit. Die Telchinen-Schmiede betrat die Bühne des 9. Jahrhunderts, um Türbeschläge für die Holzkirche vor Ort zu schmieden.
Johannes und Thilo, die beiden Schmiede bei Campus Galli, waren schon auf uns genauso gespannt wie wir auf sie.
Die Aufgabe war, die Beschläge der Karlstüre in ähnlicher Form, angepasst an die vorhandene Holztüre, zu schmieden.
„Kein Problem!“, war die Meinung bei uns in der Schmiede, als wir noch Zuhause waren. Da wir ja eh auch in unserer Schmiede mit Holzkohle und von Hand arbeiten, dürfte sich da kein Problem auftun. Kurz noch über die Bauskizze darüber geschaut und das Foto der Karlstüre auf dem Bildschirm betrachtet und los ging es ins 9. Jahrhundert.
Kaum angekommen auf der „Kloster-Baustelle“ wurden wir herzlich empfangen und es ging gleich los.
Erstmal das Puddeleisen zurechtmachen und sich die Schmiede genauer anschauen. Als Besucher schaut man wie in einer Gladiatorenarena in die Schmiede hinab. Was ganz anderes ist es dann, sich in der Schmiede von Johannes und Thilo einzuarbeiten. Die zwei haben da z.B. eine Esse mit zwei handbetriebenen Blasebälgen gebaut, welche seinesgleichen sucht. Super effizient mit der Holzkohle und sie ermöglicht eine spitzen Temperaturführung im Brennraum. Einfach tolle Handwerkskunst!! Werkzeug lag fast das Gleiche rum, wie bei uns in der Schmiede. Da hat sich bei der Bearbeitung von Eisen durch Hand nicht viel in den letzten 1200 Jahren verändert.
Voller Elan ging dann die Schmiederei los, und die ersten Probleme lauerten schon hinter jeder Ecke!
Will da jetzt nicht komplett ins Detail gehen, aber wir haben zwei Tage erfahren, die uns zum staunen brachten, Demut lehrten und Respekt zollen ließen.
Was uns, und insbesondere mir, nicht zuvor bewusst war, ist der „Abgrund zwischen den Jahrhunderten“ in den wir gefallen sind.
So eine Baustelle lebt von den Akteuren, welche sich komplett auf das Jahrhundert, hier das 9. , einlassen und auseinandersetzen. Ich war im Kopf noch im 21.Jahrhundert und gestaltete und schmiedete auch so. Heraus kam dann zwar ein ähnlicher Türbeschlag wie damals an der Karlstüre, aber mit den „Schönheitsmerkmalen“ unseres Jahrhunderts. Für mich „Kleinigkeiten“, aber halt nicht in das Stilempfinden des 9.Jahrhunderts passend.
Kleines Beispiel gefällig?
Heutzutage schmiedet man das Eisen in eine organische Form. Je näher das Kunstmaterial Eisen an der Naturform ist, desto „schöner“ wird es empfunden / wahrgenommen. Betrachtet man das als Mensch, welcher im 9. Jahrhundert lebt, dann sieht die Sache komplett anders aus. Natur war überall! Der Mensch war immer mit organisch geschwungenen Formen konfrontiert und sei es der Dachstuhlbalken, der durch seinen Wuchs die Form vorgab. Für diesen Menschen musste ein so wertvolles Material wie Eisen so kantig, geradlinig, „künstlich“ aussehen wie möglich, um als schön und exklusiv empfunden zu werden.
Da geht es teilweise nur um Millimeter und „Kleinigkeiten“, die einen dann auf eine Zeitreise in eine andere Epoche, wie Gotik, katapultieren. Bis wir/ich diese Formensprache kapiert haben, dauerte es und dauert immer noch!
Am Werkstück wurde dann nachgeschmiedet, oder sagen wir mal besser es wurde „nachgewurschtelt“ um sich langsam an die Form des 8. Jahrhunderts ran zu tasten.
Auswirkungen hat dieses „Rantasten“ aber auch auf das Werkstück selbst. Erfasst man erstmal die Formensprache, ändert sich auch der Fertigungsprozess. Arbeitsschritte wechseln in ihrer Reihenfolge. Am Schluss steht dann nicht nur das fertige Werkstück, sondern man taucht dann komplett in den ursprünglichen Bearbeitungsprozess ein und kann diesen dann nachvollziehen und dokumentieren. Experimentelle Archäologie in seiner schönsten Form!
Um dieses Denken/Fertigen im 9. Jahrhundert zu verinnerlichen, braucht es Geduld und ganz viel Wissen.
Thilo und Johannes, die zwei Schmiede auf Campus Galli, haben beides, Geduld mit uns und einen sehr großen Wissensschatz aus dem 9.Jahrhundert.
Wir haben dann beschlossen, weitere Tage auf das Projekt „Karlstüre“ zu verwenden, um Werkstücke zu fertigen, welche es wert sind, das 9.Jahrhundert an der Klosterkirche im Campus Galli zu repräsentieren.
Ein ganz großes Dankeschön an Hannes, Johannes, Thilo und allen, welche uns diese wahnsinns Zeitreise ermöglicht haben! Danke, „Campus Galli“!
Wer das Projekt unterstützen will, darf sich gerne an die Verantwortlichen wenden und z.B. eine Spende tätigen oder Fördermitglied werden.
Genauso wie früher Pest und Cholera die Baustellen vor Probleme stellte, macht dies der Coronavirus.
Du willst eintauchen in die Vergangenheit? Tolle Menschen kennen lernen? Ganz viel Wissen mitbekommen? Abenteuer und Handwerk hautnah erleben?
Mach mit am Klosterbau Campus Galli!
, und du wirst feststellen: "Erfahrung ist das, was du vor 2 Minuten gebraucht hättest!"
Sprach Johannes der Schmied und lächelte!🙂
Artikel / Infos
Presse:
Landesdenkmalpflege:
Wie beschrieben, sind wir bei der Formensprache an (Verständigungs-) Grenzen gestoßen. Um Diskussionen und Vergleiche auf eine gemeinsame Basis zu stellen, haben wir anhand von Fotos eine Bestimmung der Toleranzen und Formen versucht. Herausgekommen ist eine Bilddarstellung, welche den Vergleich mit dem fertigen Werkstück vereinfacht.
Noch was zum Schluss.
Wer genau auf die Türbeschläge schaut wird 13 Löcher pro Beschlag sehen.
Jetzt würde man vielleicht auf den Gedanken kommen, die 13 ist eine Unglückszahl und das an einer Kirchentüre.
Weit gefehlt!
Es ist eine Glückszahl und symbolisiert wahrscheinlich die 12 Apostel und Jesus, also in Summe 13.
Ebenfalls wurden damals oftmals 13 Mönche ausgesandt um ein Kloster zu gründen.
In einer Zeit, in der nur wenig Menschen lesen konnten, war die Symbolik und Bildsprache sehr wichtig! Wir können diese Symbole/Hinweise nur aus unserer heutigen Sicht interpretieren. Ob es wirklich so gedacht war, wird wohl in den meisten Fällen ein Geheimnis bleiben.
Jedenfalls, wenn man immer tiefer in diese Zeit eintaucht, lernt man was aus dem frühen Mittelalter und der Kirchengeschichte dazu! Wir, für unseren Teil, haben viel Spannendes aus dieser Epoche erfahren:-)
Der Fertigungsprozess
Wir haben in der Schmiede auf Campus Galli viel experimentiert. Mitunter haben wir den Fertigungsprozess in der Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte umgestellt. Warum?
Wir wollten so nah wie möglich an das Original der Karlstüre rankommen, auch ohne die Torrsionsstränge, welche den Hauptstrang begleiten.
Natürlich hat mal wieder keiner daran gedacht, diese Arbeitsschritte in Meßkirch zu dokumentieren.
Deshalb haben wir das Werkstück mit den gleichartigen Werkzeugen in unserer Telchinen-Schmiede nochmal gefertigt und ein paar Fotos dazu gemacht und diese hier chronologisch aufgelistet und kurze Erklärungen dazu verfasst.