Jagdmesser TS-2
Hallo!
Gleich mal vorneweg eine Feststellung für alle angehenden Schmiede:
Wenn du ein Messer selbst gemacht hast, dann ist es jedesmal das beste und gleichzeitig immer noch nicht perfekte Messer. Egal wie es aussieht, es ist von dir selbst gemacht und deshalb trägt es DEINE HANDSCHRIFT! DU hast dieses Werkzeug geschaffen und hast allen Grund stolz darauf zu sein!
Bei diesem Messer haben wir mal wieder einen Anflug von Wahnsinn gehabt. Die Materialkombination ist, ich sag es mal vorsichtig, ungewöhnlich und die Klingenfertigung wurde komplett in freier Handarbeit gemacht.
Die Vorbereitung
Bei der Zusammenstellung des Damastpaketes wählten wir nach zwei Kriterien aus.
- Kontraste
- Die Klinge soll gegensätzliche Eigenschaften vereinen
Um den Damast von Hand noch schmieden zu können, mussten wir die Dicke des Rohpaketes begrenzen. Hierzu haben wir auf die "Pufferschichten" von Reineisen/oder ST37 verzichtet, was uns im späteren Schmiedeprozess aber noch Probleme bereiten sollte. Hierzu aber später mehr.
Hier die Materialschichtung:
- ST37 ;Baustahl als obere Schutz-/Pufferschicht
- 75Ni8 ;Beständig gegen Verschleiß ; Silberne Färbung
- 90MnCrV8 ;
- 75Ni8
- 90MnCrV8
- 75Ni8
- C100 ;sehr hohe Härte möglich - feine Schneide; Dunkelgraue Färbung
- 80CRV2 ;stabil bei Schockbelastung; Graue Färbung
- C100
- 80CRV2
- C100
- 75Ni8
- 90MnCrV8
- 75Ni8
- 90MnCrV8
- 75Ni8
- ST37
Das Schmieden
Für das Feuerverschweißen des Paketes haben wir die Kohleesse mit einer Mischung aus 40% Steinkohle und 60% Holzkohle befüllt.
Warum so viel Holzkohle? Hierdurch kann ich eine "weichere" Hitze führen und die Entkohlung findet beim Handschmieden nicht so stark statt. Die Holzkohle kann ich auch gezielter mit Wasser steuern!
So, die Esse ist heiß und die Probleme nehmen ihren Lauf!
Das Paket hat einen sehr hohen Kohlenstoffanteil bei den verwendeten Stahlsorten, sprich ein wenig zu heiß und das Paket verbrennt!
Leider liegen die idealen Temperaturen für das Feuerverschweißen bei den Materialien fast 120 °C auseinander. Da wo der eine Stahl gerade anfängt in den "teigigen Zustand" überzuwechseln, da sprüht der andere Stahl schon wie ein kleines Feuerwerk!
Wir haben diesen "Spagat" bei der Temperatur mit einer Lehm-Schamott-Holzkohle-Zunder-Wasser-Mischung in den Griff bekommen. Trotzdem ist der Verlust an Material durch Verzunderung immens.
Nach vier Faltungen hat man dann einen 272-Lagen-Schichtdamast. Sieht dann wie auf dem Bild aus.
Um dem Ganzen noch einen Pfiff zu verleihen, haben wir den Schichtdamast halbiert und eine Hälfte davon dann noch verdreht (tordiert). Durch die fehlende Pufferschichten kommt bei diesem Arbeitsgang leider die Härte und Sprödigkeit einiger Stahlschichten voll zum tragen. Nur mit sehr viel Vorsicht und Gefühl war der Damast ohne Rißbildung zu verdrehen.
Den Torsionsdamast und den Schichtdamast haben wir in einem Arbeitsgang im heißen Zustand, OHNE SCHLEIFEN, direkt Feuerverschweißt.
Die Grundform haben wir dann mit Hilfe einer Gasesse bewerkstelligt. Die Gasesse hat den Vorteil, dass sie nicht so stark zur Verzunderung am Werkstück führt.
Diesen Arbeitschritt haben wir gleich mal verbunden mit einem Besuch in Köln, bei zwei richtigen Messer-Schmiede-Meistern.
Eigentlich war der Damastblock für zwei Messer gedacht, aber wie das so ist, hab ich einen kleinen Schweißfehler am Rand entdeckt. Der wurde dann abgeschrotet, somit war es nur noch Material für ein Messer :-)
PS: Ein Schweißfehler zeigt sich oft im Glühbild. Der Fehler zeichnet sich als dunklere Stelle ab.
Irgendwann, zwischen dem Zangenschmieden, Bronzeschmieden und Fachgesimpel mit Maik und Christian in Köln, ist dann der Rohling rausgekommen und kühlte auf dem Hof aus.
Der Klingenrohling wurde auf eine Dicke von 4mm ausgeschmiedet.
Halte es da wie Christian Schnura, " ich hasse Schleifen!"
Ein Werkstück so dünn auszuschmieden birgt natürlich seine Risiken. Es bleibt nicht viel Material um einen "Fehlschlag/Macken" rauszuschleifen. Auch besteht die Gefahr später beim Härten einen Verzug der Klinge zu bekommen.
Trotzdem, ich hasse Schleifen!
Klingenfertigung
Nun, man kommt nicht umhin doch noch zu schleifen.
Schleifmaschine für das Grobe,
Feile für die Konturen,
Schleifpapier,
Polierpaste,
Schleifstein,....etc.
Um das Schleifen vorzubereiten ist aber noch ein Schritt einzuschieben. Durch das ganze Schmieden und Erwärmen und Abkühlen haben sich im Material Spannungen aufgebaut und sich das Materialgefüge verändert. Um das Gefüge auf atomarer Ebene zu verändern, haben wir in der Esse den Rohling mehrmals knapp über die Rekristallisationsgrenze erhitzt und dann wieder knapp darunter fallen lassen (Pendel). Wer es genauer wissen will kann sich das Buch "Messerklingen und Stahl" durchlesen, oder mal vorbeikommen und zuschauen.
Nach dieser Wärmebehandlung ist der Rohling bereit zum Schleifen.
ALLE Schleifarbeiten sind OHNE Vorrichtungen/Führungen in Freihand ausgeführt! Am Schluß hat der Klingenrücken noch eine Dicke von 3mm. Die Klinge wird fast bis zum Endzustand geschliffen.
Jetzt wird die Klinge langsam bis zur Rekristallisationsgrenze erwärmt. Du stellst den richtigen Zeitpunkt anhand der Glühfarbe oder durch einen Magneten fest. Sobald die Klinge nicht mehr magnetisch ist, ist die Temperatur zum Härten erreicht. Wir haben das Material in 25°C warmen Öl gehärtet und danach für 4 Stunden im Elektroherd bei 150° angelassen.
PS: Nimmt man nur eine Stahlsorte, dann kann man sehr genau die Temperatur für die Wärmebehandlung und das Härten führen. Leider sind beim Damast verschiedene Stähle kombiniert. Hier hilft nur probieren und viel Gefühl!
Nach dem Härten beginnt der Feinschliff. Um die Schneide nicht durch Überhitzung zu schädigen wurde nur von Hand und mit Wasser geschliffen. Auch die Politur wurde von Hand durchgeführt.
PS: Beachte, selbst beim Polieren mit einer Poliermaschine können Temperaturen an der Schneide von 600°C erreicht werden. Passiert dies, dann kannst dir das Härten auch sparen, die Klinge erreicht nie wieder ihr ursprüngliches Schärfepotential!
Ist die Klinge fertig, dann wird sie geätzt. Wir benutzen hierfür eine 20% Schwefelsäure. Diese ist noch relativ unbedenklich in der Handhabung, schließlich ist unsere Schmiede recht eng. Da stößt man schnell mal was aus Unachtsamkeit um. Bei diesem Verdünnungsgrad dauert das Ätzen halt länger, dafür kann man aber auch den Zeitpunkt, wenn einem das Muster gefällt besser abpassen.
Griff und Scheide
Für den Griff haben wir einen Augenahorn verwendet, der einen wunderschönen Kontrast zur dunklen Färbung der Klinge gibt. Der Ahorn wurde 15 Jahre ausgelagert und sollte somit auch keine Risse mehr bekommen. Als Rapierstück wurde Rotbronze gedengelt und danach alles mit Scheibenkleber miteinander verbunden.
Warum verwenden wir Scheibenkleber? Gute Frage, sonst verwenden wir eigentlich nur "alte" Verarbeitungsmethoden, was soll da dieser Hightech?
Scheibenkleber bleibt über Jahrzehnte dauerelastisch. Er gleicht also Schrumpfungen und Dehnungen, welche durch Luftfeuchtigkeit und Wärme entstehen perfekt aus.
Habe dann noch in das Griffende unser Logo gefräst und ausgebrannt.
Den Griff dann mit Owatrol-Öl behandeln und fertig ist dieser Arbeitsschritt.
So, und nun muss das Teil ja irgendwo rein, oder?
Haben uns für eine Lederscheide entschieden. Das Messer an sich ist recht leicht, durch den schmalen Rücken.
Da es meistens am Mann/Frau getragen wird, sollte es unserer Meinung nach auch leicht bleiben. Alternativ war noch eine Holzscheide aus Ebenholz in Gespräch. Haben dann den Holzblock hochgehoben und einstimmig "Leder" getönt.
Beim Leder wird naturgegerbtes benötigt, da nur dieses sich in Wasser tränken lässt und beim anschließenden Trocknen die vorgegebene Form beibehält.
Noch mit einer Kreuzziernaht vernäht und unser Logo eingebrannt, zurechtschleifen und mit Owatrol-Öl einlassen, fertig!
Ich habe die Lederscheide noch mit Schleifpapier, Hammer und Drahtbürste bearbeitet um einen Vintage-Look zu erhalten.
PS: Beim Anpassen der Lederscheide und vernähen musst du genau arbeiten, sonst wird das Messer später nicht in der Scheide gehalten. Beim Nähfaden verwende ich einen gewachsten Baumwollzwirn. Die Naht wird gehämmert und wird sich danach, auch wenn du sie an einer Stelle durchtrennst, nie wieder aufgehen!
Philosophie:
Wenn du Messer von mir anschaust, dann findest du immer an den Messern winzige Spuren der Bearbeitung von Hand.
Ist Absicht! Ich möchte den Betrachter, Nutzer, Sammler mit auf die Reise der Herstellung nehmen. Es ist mir wichtig, dass man eindeutig erkennt, das hier eine reine Handarbeit vorliegt.
Dem einen gefällt dieser Look, dem anderen nicht. So hat halt jeder Schmied seine Ansichten und dies ist auch der Grund warum dieses Handwerk so unerschöpflich und facettenreich war, ist und bleiben wird!
Das fertige Jagdmesser TS-2
Daten:
- Messerlänge : 250mm
- Klingenlänge: 130mm
- Klingenrücken: 2,5mm
- Klingenbreite: 23mm
- Damast: 272 Lagen
- Gewicht ohne Scheide: 126g
- Gewicht mit Scheide: 174g
- Handfertigung: 60h
- Material und Arbeitsmittel: 180€
- Klingenabzieher abnehmbar
- Das Klingenmaterial ist eine Stahlkombination, welche sich nur extrem schwer feuerverschweißen (Kohleesse) lässt. Durch den Verzicht der Pufferschichten musste sehr vorsichtig das Tordieren des oberen Stranges ausgeführt werden
- Die Lederscheide mit automatischem Klingenabzieher. Wie funktioniert es? Die Lederscheide ist so geformt, dass sie die Schneide eng umschließt. Die Messingklammer drückt das Leder am Druckpunkt auf die Schneide. Funktioniert wie der Lederriemen beim Messer schleifen. Die Klammer lässt sich nachjustieren und somit ist auch nach Jahren die Funktion gewährleistet.
- Der Schneidenwinkel nimmt zur Spitze hin ab. In der Nähe des Griffes beträgt der Winkel 28°, sprich ein Winkel, welcher robust und gleichzeitig akzeptabel scharf ist. Dieser Bereich ist für grobe Tätigkeiten, z.B. Kabel abisolieren oder Knochen durchtrennen. Ab dem Lila-Bereich sinkt der Schneidenwinkel unter 23° und es entsteht eine extrem scharfe Klinge. Ab ca. der Mitte kann man sich rasieren, oder ein Muster in seine Brotzeittomate schnitzen :-) .
Plegehinweise:
Die Klinge ist nicht rostfrei! Ab und zu mit Balistol oder einem Waffenöl pflegen reicht. Schneidet man säurehaltige Sachen (z.B. Zitronen), danach mit Wasser abspülen und einölen (geht auch ein Tropfen Olivenöl). Da unsere Messer nur mit einem aushärtendem Öl behandelt sind, lassen sich z.B. Griffbeschädigungen ausschleifen. Danach muss der Griff wieder mit Owatrol eingelassen werden. Bitte das Messer nicht in Spülmaschinen oder in die Spüle schmeißen. Die Klinge niemals mit einem Hartmetallschleifer malträtieren oder beim Schleifen überhitzen. Gerne übernehmen wir das Nachschleifen. Beachtet man diese paar Grundregeln, dann wird man über Jahrzehnte ein hervorragendes Werkzeug benutzen können.